ZORA'S WELT

Carte Blanche / Zora's Welt

Meine Seele & Mein Herz
Stars werden nicht geboren. Alles andere ist Legende. Talent macht höchstens ein Drittel des Erfolgs aus, der Rest ist Arbeit. Wenn die Zeiten heute auch andere sind, da der Mammon regiert und das Wort Ethos aus dem Sprachgebrauch gestrichen zu sein scheint, bleibt: Das Leben ist eine Leiter. Wer sie erklimmen will, muss ganz unten beginnen. Ob er jemals oben ankommt, hängt von seiner Energie, Ausdauer und Risiko- bereitschaft ab. Wem das Glück hold ist, der kann einige Sprossen überspringen. Sobald er sich jedoch zu sehr zurücklehnt, verliert er den Halt und stürzt ab. Zum Star gemacht zu werden ist nicht schwer. Zum Star zu reifen dagegen sehr.

Die Geburtsstunde des Carte Blanche schlägt am 08. Juni 1984 in Wuppertal. Zwei Jahre war die Gründerin damit schwanger gegangen – nachdem sie zusammen mit einer Freundin in einer Disco zum ersten Mal eine Travestieshow erlebt hatte. „Das ist es, was ich suche“, denkt sich Zora, begräbt ihren Mädchentraum vom Beruf der Stewardess und stürzt sich ins Abenteuer eines neuen Lebens. Schöne Kleider haben es ihr schon immer angetan. Ungeschminkt geht sie nie aus dem Haus. Tanzen und Singen liebt sie sowieso. Anderen Freude zu bereiten, das liegt in ihrer Natur.  

In Deutschland befindet sich die Travestie auf Höhenflug. Manche schaffen es zu einem eigenen Stern, andere tingeln durch zweitklassige Clubs und schaden der Kunst der Verwandlung mehr als sie ihr nützen. Zora weiß, was sie will. Die Vorbereitungszeit hat sie gut genutzt, bevor sie zusammen mit ihren ersten Partnern als Carte Blanche überrascht. „Ich muss anders sein als andere“, lautet ihr Credo. Angeregt von verschiedenen Truppen stellt sie weniger die Einzelleistung als vielmehr das Ensemblespiel in den Mittelpunkt. Die vorhandenen bescheidenen finanziellen Mittel werden in Kostüme, Perücken, Make-Ups investiert; denn davon geht die erste Wirkung aus. Noch liegt der Hauptakzent auf Starparodien, Playback und Comedy, doch die ersten Revueelemente sind nicht zu übersehen. Und: Schon die erste Show wird mit dem gemeinsamen Abschminken beendet.  

Den Namen Carte Blanche wählte Zora mit Bedacht. Carte Blanche ist die weiße Karte, die früher bei einem französischen Kartenspiel noch mitgeliefert wurde. Sie bedeutet unbegrenzte Vollmacht. Mit ihr stehen dem Spieler alle Möglichkeiten offen. Zora wartet nicht, bis Engagements ins Haus flattern, was sowieso Zufall gewesen wäre, da der Name Carte Blanche weitgehend unbekannt war, sondern ging, wie es in der Branche heißt „Klinken putzen“. Zunächst in der Umgebung und mit mäßigem Erfolg. Die Truppenchefin zog ihre Kreise immer weiter.

Eine Schlüsselrolle spielte das Kölner Theater „Senftöpfchen“. Die dortige Chefin zeigte Interesse und bedingte sich ein Vorspiel aus. Das muss ihr gefallen haben. Sie engagierte das zu dieser Zeit vierköpfige Travestieensemble. Ihre einzigen Prämissen: „Die Bühne darf nicht eine Sekunde leer sein, und ein Cabaret-Girl muss immer lächeln.“ Zora führte durchs Programm. Großartiger Erfolg und weitere Engagements über Jahre.

Der unaufhaltsame Aufstieg von Carte Blanche erreichte um 1988 seinen ersten Höhepunkt. Die Engagements Angebote häuften sich, so dass man auswählen konnte. Die Truppe wurde für Messen, Großveranstaltungen, Theatergastspiele verpflichtet. Der Ruf übersprang Ländergrenzen. Mittlerweile gastierte Carte Blanche in allen deutschsprachigen und weiteren europäischen Ländern, eingeschlossen der Schweiz, in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Spanien und Portugal.

Carte Blanche wartete nach dem Mauerfall nicht lange, um die neuen Bundesländer „auszuprobieren“. Zora Schwarz war klar, dass hier Nachholbedarf bestand. Sie dachte an das alte Sprichwort „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Die ersten Gastspiele erfolgten bereits 1990. Erster und lange anhaltender Höhepunkt Erfurt, wo man zehn Jahre Erfolg um Erfolg feiern konnte. Dann Magdeburg, schließlich Leipzig. Doch dann entdeckte die aus Dortmund kommende Künstlerin die Stadt am sächsischen Canale Grande eher zufällig. „Ich hatte eine falsche Autobahnabfahrt gewählt“, erzählt sie freimütig. „Einmal in Dresden, wollte ich wenigstens einen Eindruck davon mitnehmen. Ich verliebte mich auf Anhieb.“ Damals noch kein Gedanke an ein eigenes Theater an der Elbe. Das erste Engagement des Reisetheaters Carte Blanche in Dresden besorgte ein bekannter Nachtclubkönig zur Eröffnung seiner Diskothek am 13. April 1997. Es war zugleich die erste Begegnung der Dresdner mit einer westdeutschen Travestieshow. Dementsprechend groß war der Erfolg von Zora und ihrer Truppe.

Dresden war also, das müsse man ehrlicherweise sagen, zunächst nur eine Episode. Plötzlich wendete sich das Blatt. Einer der Funzel-Direktoren aus Leipzig setzte Zora den Floh vom eigenen Theater in Dresden ins Ohr. Dort gäbe es die ultimative Chance. Sofort sprang sie an. Im Jahre 2002 wurden die Verträge abgeschlossen. Ein unterirdisches Theater mit rund hundert Plätzen, einer Bühne von elf mal vier Metern mit modernster Licht- und Tontechnik und qualitativ hochstehender Gastronomie in einem historischen Gebäude an der Prießnitzstraße am Rande der Dresdner Neustadt, dem man die Verwandlung äußerlich nicht ansah.

Am 28. November 2003 wurde das Carte Blanche Dresden eröffnet. Als das Publikum die Show mit Standing Ovations feierte, weinte Zora vor Freude. „Es war unglaublich. Der Erfolg war sofort da! Gott sei Dank, hat er uns bis heute nicht verlassen.“ Kein Wunder. Selbst wenn die Dresdner und die Gäste, die oft von weit her anreisen, irgendwo schon Travestieshows erlebt haben sollten: Diese Melange von Travestie und Revue ist einzigartig, ungewöhnlich aufwändig und ästhetisch wie selten, attraktiv und geheimnisvoll, frech-frivol, doch nicht unter der berüchtigten Gürtellinie, überraschend und abwechslungsreich, musikalisch, tänzerisch, artistisch und vor allem vergnüglich.

Die Krönung der fünfunddreißigjährigen Geschichte des Carte Blanche ist das neue Dresdner Revuetheater. „Hier kann ich die Illusion perfekt verkaufen, und das Publikum ist dankbar. Ohne Publikum könnte ich nicht leben. Ich brauche das Herzklopfen auf der Bühne. Und den Applaus. Aber ich muss immer weiter, immer Neues, immer Besseres … Ich träumte von einem größeren Theater in dieser Stadt, wo ich auch eine Revuetreppe haben kann.“ Dieser Traum wurde mit dem neuen Carte Blanche Theater im Jahre 2015 Wirklichkeit und somit begeistert Zora, mit Ihrem Ensemble Carte Blanche, in Europas schönsten und größten Travestie Theater Ihr Publikum alljährlich aufs Neue.

„Mit diesem Theater ist mein Lebenstraum in Erfüllung gegangen“, gesteht Deborah Zora Schwarz. „Das Theater ist nicht nur mein Werk, sondern meine Seele und mein Herz.“

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